Warum EUR 10.000 netto im Monat nicht ausreichen, um im reichen Deutschland reich zu werden
Ein Freund von mir, nennen wir ihn Georg, wurde kurz vor seinem 50. Geburtstag befördert. Georg arbeitet in einem Dax-Konzern und ist jetzt „nahe am Vorstand, wenn er auch noch nicht direkt zweite Führungsebene“. Die Beförderung brachte eine Gehaltserhöhung mit sich und Georg verdient jetzt etwas mehr als EUR 10.000 netto im Monat (das monatliche Bruttogehalt liegt bei etwa EUR 17.000, dazu kommt noch ein jährlicher Bonus und ein paar andere Goodies. Die anteilige Beteiligung für die private Krankenkasse für ihn und seine Familie ist schon abgezogen. Insgesamt ist Deutschland ja eines der Länder mit der höchsten Steuern und Abgaben, https://bit.ly/2PBiScB). Seine Frau verdient Teilzeit extra, allerdings in Steuerklasse 5, und zahlt mit ihrem Gehalt ihre persönlichen Ausgaben wie Kleidung und Kosmetik.
Ich unterhielt mich ein Jahr nach der Beförderung mit Georg über sein neues Gehalt. Er erzählte mir, dass obwohl EUR 10.000 netto im Monat natürlich „sehr angenehm“ seien, dies absolut nicht ausreiche, um im reichen Deutschland reich zu werden. Und dabei verdiene er doch viel besser als der Durchschnitt von Angestellten und Beamten (https://www.reiches-deutschland.de/reiche-beamte).
Beim dritten Bier eröffnete mir Georg seine Lebenshaltungskosten (durchschnittliche Kosten im Monat):
- EUR 2.500 Miete München: Georg lebt mit seiner Familie zentral in München in einer 140 m2 Altbauwohnung. Schön, aber auch kein riesiger Luxus für 5 Personen. Georg meint, dass er mit weniger als EUR 20 Warmmiete je m2 für Münchner Verhältnisse sogar recht günstig fahre.
- EUR 2.400 Kosten Kinder. Georg hat 3 Kinder, alle noch im Schulalter. Laut Statistiken kosten Kinder im Durschnitt, je nach Alter, zwischen EUR 600 bis EUR 800 im Monat. Georg meint, EUR 800 komme für ihn so etwa hin, zähle man die Kosten für Kleidung, Sportvereine, Musikstunde, Geburtstage, Klassenfahren, Schulausstattung, Handy etc. zusammen. „Das übliche halt“, kein besonderer Luxus, keine Privatschule oder Golfstunden. Nicht eingerechnet in die EUR 2.400 monatlich sind allerdings Verpflegung der Kinder und anteilige Miete (jedes der Kinder hat sein eigenes Zimmer). Außerdem entständen natürlich Opportunitätskosten, da Georgs Frau wegen der Kinder nur Teilzeit arbeiten könne. Die Kosten für Kinder würden auch in der nächsten Zukunft nicht besser werden, wenn diese erst studieren.
- EUR 1.000 Kosten normaler Supermarkteinkauf für 5 Personen (Edeka, Rewe auch viel Aldi, Lidl und Netto).
- EUR 400 Kleidung: In seiner Position „müsse man sich schon gut anziehen“. Dabei kaufe er zwar Marken im gehobenen Preissegment (Boss, Windsor) aber oftmals auch im Ausverkauf. Keine Luxusmarken wie Brioni, Kiton oder Dietl.
- EUR 400 PKW: Georg hat einen Dienstwagen, muss aber dafür extra Steuern zahlen. Benzin zahlt er selbst. Seine Frau hat keinen zweiten PKW und beschwert sich darüber ständig.
- EUR 300 Einrichtung und Reparaturen: Georges Wohnung ist komplett eingerichtet, ab und zu müsse man jedoch etwas erneuern (neue Waschmaschine oder Fernseher beispielsweise) oder reparieren (Polstermöbel).
- EUR 100: Privates Handy, Festnetz, schnelles Internet.
Macht summa sumarum: EUR 7.100 im Monat. Dazu kommen dann noch Ausgaben für Urlaube, Putzfrau, Essengehen, Fitnessstudio, Geschenke für Geburtstage und Hochzeiten, gelegentlich Arztrechnungen die die private Krankenkasse nicht komplett übernimmt (Zahnarzt, Kiefernorthopäde), Bücher, Netflix, GEZ, etc. Insgesamt, meint Georg, komme er auf durchschnittlich Ausgaben von etwa EUR 8.000 im Monat.
Sparen könne er vielleicht EUR 2.000 im Monat, also EUR 24.000 im Jahr, oder EUR 240.000 in 10 Jahren (wobei Georg meint, dass man in seiner Position nie sicher sein könne, ob er noch 10 Jahre arbeiten könne oder ob er nicht irgendwann als altes Eisen abserviert werde). Also EUR 240 000 in 10 Jahren, mit Zinsen vielleicht 300.000. Davon könne man sich in München noch nicht einmal eine Zweizimmerwohnung kaufen!
Laut Statistiken gehört Georg mit seinen EUR 10.000 netto im Monat zu den Top 1% Spitzenverdienern in Deutschland (siehe hierzu unser Artikel "Sind die meisten Einkommens- und Vermögensstatistiken einfach falsch?", vgl. https://bit.ly/3faXC7X). Traut man diesen Statistiken, so liegt der Durchschnittsverdienst bei etwa EUR 3.500 brutto, der Medianlohn bei EUR 3.000 brutto (siehe hierzu "EUR 4.000-5.000 Netto – die Helden des Alltages", https://bit.ly/2Qhi2l1). Die Top 1% fangen bei etwa EUR 12.000 brutto im Monat also etwa 150.00 brutto im Jahr an (siehe Webseite mit Statistiken zur Einkommenssituation in Deutschland, https://bit.ly/3u4TFWQ). “Das Gefühl reich zu sein habe ich nicht“, meinte Georg. „Ich lebe zwar ganz gut, dafür arbeite ich ja auch mindestens 50 Stunden die Woche. Reich sind die Anderen und ich werde es wohl auch nicht mehr werden.“
Was ist für ihn reich? Bei unseren Treffen sprachen wir über Sachen auf, die wirklich reiche Menschen machen (Georg hat keine davon probiert):
- Ein Haus oder eine Wohnung kaufen ohne sich für die nächsten 30 Jahre zu verschulden;
- Einen Ferrari oder Porsche kaufen;
- Privatjet oder First-Class fliegen;
- Kleidung von Brioni tragen;
- Eine Yacht kaufen (oder wenigstens einmal mieten);
- Hausangestellte haben;
- Seiner Frau einmal Schmuck mit echten Diamanten schenken (nicht nur den staubkornartigen Diamanten von Tiffany für etwas mehr als EUR 5.000);
- Eine Weltreise machen;
- Mindestens EUR 1 Millionen auf den Konto und von Zinsen und Dividenden leben können (bei den derzeitigen Zinsen braucht man eher mehr);
- Mit 50 Jahren aufhören zu arbeiten.
Georg meint, besser wird es als Angestellter nicht mehr, mehr als er verdienen nicht viele. Und die Wahrscheinlichkeit, weiter aufzusteigen oder vielleicht einmal sogar DAX Vorstand zu werden, sei viel geringer also frühzeitig in Rente gehen zu müssen. Kein Wunder, dass Angestellte selten reich werden. Laut Statistiken schaffen dies viele Selbstständige, manche Freiberufler und ganz wenig Angestellte. Er wundere sich nur, wie das die vielen anderen Münchner schaffen, die derzeit Häusers kauften oder Porsche fahren
Ich tröste Georg mit einer Geschichte aus dem Buch des kürzlich verstorbenen Tom Wolfe’s „Fegefeuer der Eitelkeiten“ in der die Hauptperson Sherman McCoy immerhin mehr als 1 Millionen Dollar im Jahr verdient – und dennoch alles von den laufenden Ausgaben aufgezehrt wird. Da seien EUR 2.000 Ersparnis im Monat doch ganz gut…